Zutaten:
1 kleiner bis mittlerer Kopf Blau- bzw. Rotkraut
100 g Sonnenblumenkerne
2 Eßl. Majoran getrocknet
Salz
Essig
Olivenöl
Hinführender Gedanke:
So wie die einzelnen Gemüse und die Obstsorten von ihrem äußeren Erscheinungsbild gesehen sehr unterschiedlich sind, so unterscheiden sie sich auch in ihrem Charakter. Es gibt Gemüse, die eher leicht wirken, wie etwa Zucchini oder bei denen mehr das wässrige Element betont ist, wie bei Gurken und Tomaten. Oder es herrscht mehr ein mildes Element vor, wie man es bei Karotten oder Fenchel finden kann und weiterhin gibt es sehr kompakte und kräftige Vertreter, wie etwa die Kohlgemüse.
Möchte man nun ein Gemüse zubereiten, kann man ausgehend von diesem Charakter die Überlegungen beginnen. Einem sehr leichten Gemüse könnte man eine kräftigere Note verleihen, den lieblichen und milden Charakter eines Gemüses könnte man unterstreichen, ohne ihn zu überdecken und die kompakte und kräftige Form könnte man mehr in eine erste Auflockerung bringen, damit die Verdauungsanforderung nicht die eigenen Kräfte übersteigt und Störungen verursacht. Mit diesen Überlegungen beginnt ein erstes Durchgestalten der Speise auch im Hinblick auf eine harmonische Gesamtkomposition.
Das Blaukraut gehört zu den kompakteren und festen Gemüsearten. Der Strunk ist kräftig und die Kohlehydrate verwandeln sich oft schon in die festere und unverdauliche Cellulose, die man als holzige Fasern kennt. Die einzelnen Kohlblätter wachsen nicht locker am Stängel entlang, wie das bei den meisten Pflanzen der Fall ist, sondern sie sitzen eng beieinander und sind fest ineinander gewickelt, sodass eine sehr kompakte kugelige Form entsteht. Die äußerlich sichtbare Schwere des Kohls setzt sich bis in die Verdauung fort und kann dort sehr leicht Störungen verursachen.
Heinz Grill spricht von einer geballten Kraft und einem recht irdischen Charakter beim Blaukraut. Er beschreibt, dass es einen sehr hohen Krafteinsatz in der Verdauung benötigt, um es gut verdauen zu können, wodurch jedoch das Willensleben des Menschen und Wärmekräfte gestärkt werden und damit die Bereitschaft wächst, im praktischen Leben tatkräftiger anzupacken.
Zubereitung:
Für die Zubereitung kann nun zunächst in der Vorstellung ein Bild entworfen werden, wie ein Rotkohlsalat aussehen könnte, der zu einer maßvollen Anforderung und Stärkung für die Menschen wird, die den Salat essen werden. Es kann dabei das Bild eines blütenhaft ansprechenden, geschmeidigen Salates entstehen, der durch die Gewürze sowie die Form aus jeglicher Schwere herausgehoben wird, der aber dennoch substanziell kräftig ist.
Nach dieser gedanklichen Überlegung und Gestaltung können die praktischen Zubereitungsschritte erfolgen. Zunächst den Rotkohl von trockenen oder weichen Blättern befreien, waschen und vierteln und den Strunk und die gröberen Blattansätze entfernen. Dann die Viertel mit einem Gurkenhobel so fein wie möglich in Streifen hobeln, so dass der Kohl eine neue zartere und feinere Form erhält.

Die Sonnenblumenkerne in einer Pfanne mit Öl bei mittlerer Hitze leicht goldgelb rösten und sie dann auf einen Teller geben.

In der Pfanne dann die Blaukrautstreifen mit einigen Tropfen Wasser und etwas Öl zunächst bei hoher Hitze dünsten und dabei ständig wenden. Die Hitze reduzieren, damit das Kraut nicht braun wird. Das Kraut immer wieder wenden, damit es gleichmäßig an dem Hitzeprozess teilnimmt. Während des Dünstens kann man beobachten, wie die Krautstreifen ihre vitale und starre Form verlieren und immer geschmeidiger werden.

Nun den Majoran und evtl. nochmals einige Tropfen Wasser zugeben und den Rotkohl unter weiterem Wenden noch etwas dünsten. Der Majoran ist ein wärmendes Gewürz mit einem mild-süßlichen abrundenden Geschmack. Da der Majoran, wie viele Kräuter, eine sehr intensive Beziehung zum Licht hat, kann er helfen, das Kraut aus seiner Schwere zu heben. Er regt auch die Verdauungsorgane an, die dadurch dem Kohl mit mehr Kraft begegnen können.

Das Kraut sollte nicht ganz weich werden, sondern noch etwas Biss haben. Dann das Ganze in eine weite Schüssel oder auf eine Salatplatte geben und abkühlen lassen.
Beobachtet man aufmerksam, wie die Blaukrautstreifen sich durch die Hitzeeinwirkung in ihrer Farbe, Konsistenz und Geschmeidigkeit verändern, so gewinnt man nach mehrmaligem Zubereiten dieses Gerichtes eine Wahrnehmung dafür, wann der Garprozess abgeschlossen ist, auch ohne, dass man ständig kosten muss. Das Dünsten dauert etwa 3 – 6 Minuten, je nach Krautsorte.
Zu dem abgekühlten Blaukraut die Sonnenblumenkerne zugeben und das Ganze mit Salz, Essig und Öl würzen. Durch die Säure des Essig verwandelt sich das Blau des Krautes in einen leuchtend warmen Rotton.

Den Salat abschmecken und etwa ½ Stunde ruhen lassen, sodass das Salz und vor allem der Essig das Kraut durchdringen können. Wie durch den Hitzeprozess eine Stoffverwandlung im Kraut stattfand, so erfolgen auch durch das Salz und den Essig weitere alchemistische oder anders ausgedrückt, stoffverwandelnde Prozesse, die die Speise weiter harmonisch durchgestalten. Obwohl keine weiteren Zutaten mehr hinzukommen, verändert sich der Salat noch einmal wesentlich. Diese Veränderungen sind auch äußerlich sichtbar und führen die gesamte harmonische Gestaltung der Speise zu einem Abschluss.

Indem der Koch um diese Prozesse weiß, kann er sie bei der vorbereitenden Vorstellungsbildung auch zu anderen Gerichten mit einbeziehen und bewusst anwenden. Mit seiner Wahrnehmung kann er aufmerksam diesen Prozessen folgen und sie weiter studieren. Alle Gedanken- und Wahrnehmungsprozesse, die der Koch bei der Zubereitung einer harmonischen Speise vollzieht, wirken als substanzielle Kräfte in der Speise. Diese strahlen dem Menschen entgegen und bringen ihm das Gericht näher, sodass es bis in die Verdauung hinein leichter aufgenommen werden.