Wie kann ein Geben an die Natur beginnen? – Teil 2

Eine meditative Vertiefung zur Waldheidelbeere

Um die vorausgehenden Überlegungen zu der Frage nach dem Nehmen und Geben weiter zu vertiefen, ist es hilfreich, den Menschen einmal gegliedert wahrzunehmen. Mit seinem physischen Körper muss er nehmen, Essen, Kleidung, Wohnen, mit seinem Seelenleben kann er in Beziehung treten und auf geistiger Ebene kann er die Verhältnisse ausgehend von einer größeren kosmischen Weite und den Möglichkeiten des Gestaltens betrachten.

Auf der physischen Ebene nehmen wir die Nahrungssubstanzen beim Essen in uns hinein. Auf der seelischen Ebene können wir über die Sinne die Farben und Formen erleben, die Aromen schmecken und bemerken, dass wir mit jeder Nahrung auch an den kosmischen Einflüssen von Licht und Wärme teilnehmen. Auch die Wahrnehmung zu all jenen Menschen, die die Pflanzen gesät, gepflegt und geerntet oder weiter verarbeitet haben ist seelischer Natur; ebenso der Blick zu den Personen, die die Speise zubereitet haben oder zu den Pflanzen, die wir gerade verzehren. Was ist eine Mandel, ein Apfel oder eine Heidelbeere und wie unterscheiden sie sich in ihrer ganzen Wesensart?

Das Wesen einer Pflanze ist nun nicht eine mystische oder ungreifbare Dimension, sondern findet auch in der sichtbaren Erscheinungsform der jeweiligen Pflanze ihren Ausdruck. Ist sie wässrig oder hart, ausgedehnt oder klein und kantig, kräftig in der Farbe oder unscheinbar? Wächst sie ganz nah am Erdboden oder hoch auf einem Baum, ist ebenfalls Teil des Pflanzenwesens.

Seit ich mich beim Pflücken der Heidelbeeren im Wald diesen intensiver wahrnehmend hingewendet habe, entdecke ich ständig weitere bisher nicht gesehene Eigenarten.

Ein meditativer Gedanke:
Indem aber der einzelne Mensch in Beziehung tritt mit dem Essen, tritt er auch in Beziehung zu der Natur im Außendasein. Und er tritt nicht nur mit der Natur im Außendasein in Beziehung, sondern er geht sogar noch weiter, er tritt auch mit den Lichtkräften und den kosmischen Kräften des Universums in Beziehung. Das heißt, die Berührung mit den Sinnen ist nicht nur eine Berührung mit den Stoffen, also mit den Kohlenhydraten, Proteinen usw., sondern sogar eine Art Beziehungsaufnahme zu dem, was übergeordnet über der Natur kosmisch lebt. So nimmt der Mensch mit jeder Nahrung teil an einem viel größeren Ganzen.“

(S. 14 aus „Impulse für eine neue Ernährungskultur“ von Heinz Grill)

Wie in einem leichten Zickzack
entwickeln sich die Stängel

Die vielen Verzweigungen streben in die Weite

Kantige „Bänder“ ziehen sich bewegt entlang
den Stängel
; neue fünfblättrige Triebe öffnen sich

Auf harten dünnen Stängeln
breitet sich die Waldheidelbeere
leicht und fächerartig-buschig nach oben aus

Kein wässriges, weiches oder schwammiges Element kann man an der ganzen Pflanze beobachten, alles ist zusammengezogen und strukturiert.

Intensive blau-violett-rötliche Farbtöne durchziehen die Beeren und die herbstlichen Blätter

Im Herbst sprießen die neuen Triebspitzen
mit vereinzelten vorzeitigen Blüten

Ein Blätterbüschel sprießt hervor und eine rosa Blüte

Das Blütenglöckchen unter dem frischen Trieb und dem herbstlich welkenden Blatt

Übung zur meditativen Vertiefung

Die vielen gesammelten Eindrücken bilden nun die Basis für eine meditative Vertiefung, denn diese ist konkret und beginnt mit klaren Wahrnehmungen. Am besten nimmt man sich dafür einige ungestörte Minuten Zeit und fügt alle Eindrücke aus der Erinnerung zu einem realen Bild zusammen. Für 5 – 10 Minuten kann dieses gedanklich erbaute Bild dann in der Vorstellung bewahrt werden. Es ist dafür zunächst kein weiteres Wissen über die Waldheidelbeere notwendig, denn sie drückt sich in ihrer ganzer Gestalt selbst aus. In dieser Phase genügt die einfache ruhige Anschauung und unkomplizierte Hinwendung zu ihr. Sie erhält erneut die Aufmerksamkeit und kann sich in ihrer Art aus dem Bild heraus sozusagen selbst „aussprechen“.