Wie kann ein Geben an die Natur beginnen? – Teil 2

Eine meditative Vertiefung zur Waldheidelbeere

Um die vorausgehenden Überlegungen zu der Frage nach dem Nehmen und Geben weiter zu vertiefen, ist es hilfreich, den Menschen einmal gegliedert wahrzunehmen. Mit seinem physischen Körper muss er nehmen, Essen, Kleidung, Wohnen, mit seinem Seelenleben kann er in Beziehung treten zur Natur, den Menschen und den sozialen Verhältnissen und wenn man davon ausgeht, dass der Mensch auch eine geistige Ebene besitzt, dann drückt diese sich in der Fähigkeit aus, gestaltend und verwandelnd auf die ihn umgebende Umwelt zu wirken.

Auf der physischen Ebene nehmen wir die Nahrungssubstanzen beim Essen in uns hinein. Auf der seelischen Ebene können wir über die Sinne die Farben und Formen erleben, die Aromen schmecken und bemerken, dass wir mit jeder Nahrung auch an den kosmischen Einflüssen von Licht und Wärme teilnehmen. Auch die Wahrnehmung zu all jenen Menschen, die die Pflanzen gesät, gepflegt und geerntet oder weiter verarbeitet haben ist seelischer Natur; ebenso der Blick zu den Personen, die die Speise zubereitet haben oder zu den Pflanzen, die wir gerade verzehren. Was ist eine Mandel, ein Apfel oder eine Heidelbeere und wie unterscheiden sie sich in ihrer ganzen Wesensart?

Das Wesen einer Pflanze ist nun nicht eine mystische oder ungreifbare Dimension oder eine phantastische Einbildung, sondern jede Pflanzenart hat ihre eigene Charakteristik oder Wesensart. Edward Bach beispielsweise hat diese Pflanzenwesen, die über die materiellen Stoffe hinaus gehen eingehend studiert und da heraus die auf einer feineren Ebene liegenden gesundheitlichen Wirkungen ergründet. Die ganze Eigenart einer Pflanze drückt sich jedoch auch in ihrer sichtbaren Erscheinungsform aus. Ist sie wässrig oder hart, ausgedehnt oder klein und kantig, kräftig in der Farbe oder unscheinbar? Wächst sie ganz nah am Erdboden oder hoch auf einem Baum, sind ebenfalls Teil des Pflanzenwesens.

Seit ich mich den Waldheidelbeeren intensiver wahrnehmend hingewendet habe, entdecke ich bei jeder erneuten Begegnung ständig weitere bisher nicht gesehene Merkmale.

Wie in einem leichten Zickzack
entwickeln sich die Stängel

Kantige „Bänder“ ziehen sich bewegt entlang
den Stängel
; neue fünfblättrige Triebe öffnen sich

Kein wässriges, weiches oder schwammiges Element kann man an der ganzen Pflanze beobachten, alles ist zusammengezogen und strukturiert.

Die Stängel sind hart und dünn,
die Blätter sind klein,
die ganze Pflanze ist deutlich gegliedert

Auch in der Zahnung der Blättchen
zeigt sich die Gliederung

Im Herbst sprießen die neuen Triebspitzen
mit vereinzelten vorzeitigen Blüten

Übung zur meditativen Vertiefung

Möchte man nun die Wesensart einer Nahrungspflanze bis hin zu ihrer Wirkung auf den Menschen näher erkennen und verstehen lernen, bedarf es nach den verschiedenen Beobachtungen einer ruhigen Phase der Rückerinnerung. Die vielen gesammelten Eindrücke werden dafür in einer Art Konzentration oder meditativen Vertiefung zu einem möglichst konkreten gedanklichen Bild wieder aufgebaut.

Am besten nimmt man sich einige Minuten Zeit und setzt sich an einen ungestörten angenehmen Platz. Den Rücken dabei aufrichten, die Körperglieder entspannen und den Atem frei fließen lassen. Ein aufgerichteter Rücken hält das Denken wacher und klarer.

Alle Eindrücke über die Heidelbeere werden nun aus der Erinnerung zu einem Bild rekonstruiert. Für 5 – 10 Minuten kann dieses gedanklich erbaute Bild dann in der Vorstellung bewahrt werden. Diese ruhige Hinwendung ist sehr wichtig und es ist dafür zunächst kein weiteres Wissen über die Heidelbeere notwendig. Es bedarf auch keiner Überlegungen wie das Wesen der Heidelbeere sein könnte, es genügt, mit einfacher ruhiger Anschauung auf das erinnerte Vorstellungsbild zu blicken, denn sie drückt sich in diesem in ihrer ganzen Gestalt selbst aus. Die Heidelbeere erhält erneut die ganze Aufmerksamkeit und kann sich in ihrer Art aus dem Bild heraus sozusagen selbst „aussprechen“.

Aus dem normalen Alltag sind wir es gewöhnt, sehr schnell mit dem Blick über die Dinge zu gleiten. Eine so ruhige Anschauung ist ungewohnt und mag vielleicht sogar banal wirken. Bereits 5 oder 10 Minuten wirken jedoch regenerierend und stabilisierend auf den Menschen und fördern ein beziehungsvolles Empfinden zur Welt.